Paartherapie ohne Partner – funktioniert das?
Wenn Paare in einer Krise feststecken kommt oft irgendwann die Frage auf: „Sollen wir es vielleicht mal mit einer Paartherapie versuchen?“ Nicht selten ist einer der Partner von dieser Idee angetan, der andere hingegen weniger. Die Gründe, warum Menschen Vorbehalte gegen Paartherapie haben, sind vielseitig. Oft ist es ein Unbehagen, sich mit sehr privaten Problemen an eine fremde Person zu wenden oder die Sorge, der Therapeut könnte parteiisch sein und mich sozusagen „an den Pranger stellen“. Sehr oft hört man auch: „Das bringt ja eh nichts“.
Was auch immer dahintersteckt, wenn ihr Partner eine Paartherapie vehement ablehnt, bitte zwingen Sie ihn nicht dazu. Eine Studie* hat gezeigt, dass Paartherapie sehr hilfreich sein kann, aber nur dann, wenn beide Partner die Therapie gemeinsam wollen. Ist nur einer von der Paartherapie überzeugt, sind die Erfolgsaussichten eher schlecht. Sie kann sich in manchen Fällen sogar negativ auf die Beziehung auswirken.
Dennoch bleibt dann meist derjenige Partner, der den größeren Leidensdruck verspürt, hilflos zurück. „Ich möchte doch etwas ändern, weiß aber nicht, wie…“ höre ich dann oft. „Kann ich denn nicht alleine eine Paartherapie machen?“ lautet dann die nächste Frage. Am Anfang meiner Praxis vertrat ich noch eher die Einstellung: „Alleine kommen ist besser, als gar nichts“. Nachdem ich aber so viele Paare bei mir erlebt habe, bei denen ein Partner sozusagen als „Mitgeschleppter“ geblockt und gemauert hat und eine konstruktive Arbeit kaum möglich war, habe ich meine Meinung diesbezüglich geändert. Heute sage ich aus vollster Überzeugung: „Kommen Sie bitte alleine, da können wir mehr ausrichten, als wenn Sie Ihren Partner überreden oder gar zwingen.“
Ich habe in den letzten Jahren so gute Erfahrungen und tolle Entwicklungen in der Beziehungsarbeit mit einer Person gehabt, dass ich sogar mittlerweile das Angebot meiner Praxis dahingehend umgestellt habe: Ich biete heute nur noch Paartherapie ohne Partner an.
„Ist das dann nicht einfach dasselbe wie eine Einzeltherapie?“ mögen Sie sich jetzt fragen. Meine Antwort dazu lautet: „Ja und nein“. Ja, denn natürlich kommen Sie als einzelne Person zu mir. Nein deshalb, weil wir in der systemischen Therapie spezielle Techniken haben, um mit Beziehungen und Stellvertretern zu arbeiten, auch wenn nicht alle Beteiligten anwesend sind.
Wir können zum Beispiel auf dem Beziehungsbrett die Beziehung aufstellen und so Probleme aber auch mögliche Lösungen sichtbar machen. Das hilft Ihnen, Schritte zur Veränderung zu gehen, die die Beziehung wieder in eine gute Richtung lenken können. Oder wir erarbeiten gemeinsam Ideen und Strategien, wie Sie Ihre Kommunikation wieder in Schwung bringen und Dinge endlich an- und ausgesprochen werden können.
Im gleichen Zug geht es natürlich auch um Sie als Person: Ihre Bedürfnisse, Ihre Werte, Ihre eigenen Muster, die in der Beziehung wirken. Wenn Sie sich entwickeln, vielleicht Ihre Sicht auf sich selbst und die Vergangenheit verändern, verändern Sie Ihre Zukunft. Ob diese Zukunft dann auch Ihren Partner beeinhaltet, kann ich natürlich nicht versprechen. Aber ich versichere Ihnen: Selbst die nötigen Schritte zu gehen ist allemal besser, als hilflos und frustriert in alten schädlichen Mustern auszuharren. Nicht vergessen: Beziehung beginnt immer bei Dir.
*Die WMM – Weber Marketing- und Marktforschung GmbH hat 2014 dazu 906 Personen ab 18 Jahre befragt: Wenn beide Partner die Therapie wollen, liegt die Erfolgsquote bei 77 Prozent. Wenn die Therapie nur von einem Partner ausgeht, verändert sich in rund 25 Prozent der Fälle gar nichts, bei etwa 14 Prozent gibt es sogar Veränderungen zum Negativen.
Foto von Thomas Kelley auf Unsplash