Eine Freundin kam kürzlich frustriert bei mir vorbei und klagte: “Letzte Nacht bin ich aufgewacht und als ich meinen Mann da so schnarchend neben mir liegen sah, dachte ich plötzlich: Irgendwie ist der Lack ab bei uns…wir waren mal so ein schönes Paar, so jung, dynamisch und gutaussehend, beide erfolgreich…und heute?“ Sie jammerte weiter: “Früher war bei uns irgendwie alles besser!“
Ok, dachte ich, die beiden sind zwar seit fast 20 Jahren zusammen, haben 2 Kinder und vielleicht ein paar Kilo zugenommen aber sonst sind sie noch immer ein ziemlich ansehnliches (und auch erfolgreiches!) Paar. Da passt doch was nicht richtig zusammen…
Stimmt! Was meiner Freundin da passiert, ist ein häufiges Phänomen in langjägrigen Partnerschaften. Man tendiert dazu, seine Aufmerksamkeit viel mehr auf die Dinge zu richten, die am Partner nicht mehr so positiv sind: Die körperlichen Veränderungen, nervende Eigenschaften oder Angewohnheiten, Ticks, Fehltritte oder Fehlentscheidungen usw. Dadurch gewinnt man leicht den Eindruck, der Partner hätte ganz schön nachgelassen. In der Psychologie nennt man das auch „Problemtrance“ – eine tolle Beschreibung, wie ich finde.
Das heißt, um mal bei dem Bespiel mit dem Lack zu bleiben: Man sieht bei seinem Lieblingsauto, das doch mal so schön war, plötzlich nur noch die kleinen Beulen und Lackschäden, die mit der Zeit entstanden sind. All das, was aber immer noch schön ist – vielleicht sogar erstaunlich gut erhalten – wird übersehen und man würdigt auch nicht, dass wir mit dem Auto schon eine lange Zeit sehr zuverlässig unterwegs sind.
Wie aber können wir es schaffen, unsere Aufmerksamkeit zu weiten und aus der Problemtrance aufzuwachen? Diese kleinen aber wirksamen Tricks können Euch helfen:
1. Eine Freundin/einen Freund fragen!
Ich habe meiner Freundin sofort im Anschluss an ihre Klagen aufgezählt, was ich an Ihrem Mann alles toll finde. „Ach ja stimmt, du hast ja Recht..“, hat sie (mit einem Lächeln!) geantwortet. Also, immer wenn Ihr mal wieder kein gutes Haar an Eurem Partner lassen könnt, holt Euch eine -möglichst ehrliche- zweite Meinung ein! Es wirkt Wunder!
2. In Erinnerungen schwelgen
Schaut Euch mit Eurem Partner gemeinsam mal wieder die alten Fotoalben an und erinnert Euch an schöne gemeinsame Erlebnisse. Zu sehen, was ihr alles schon gemeinsam erlebt und auch gemeistert habt lässt Euch die kleinen „Schönheitsfehler“ des anderen leichter vergessen.
3. Umdeuten
Ich habe mir angewöhnt, alles was mir an anderen Menschen negativ aufstösst, ein wenig umzudeuten. Damit meine ich, dass ich versuche, einen positiven Effekt am Negativen zu finden. Zum Beispiel: Mein Partner ist unordentlich! Nein – er ist kreativ chaotisch und somit (Gott sei dank!) das Gegenteil von pedantisch und kleingeistig. Gut, ich gebe zu, das klappt nicht immer. Aber wenn es klappt, ist es sehr hilfreich!
Meine Freundin hat dann letztendlich auch wieder sehen können, dass zwar vielleicht der Lack Ihres Mannes ein paar Roststellen hat aber sonst noch ziemlich gut in Schuss ist. Und dass es hilft, ihn immer mal wieder gedanklich aufzupolieren bevor man anfängt, nach dem neuen Sportwagen zu schielen! Viel Erfolg!
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Juliette Boisson
Schön gesagt. Nach vielen Jahren Ehe oder Beziehung findet man sicherlich viel Gründe warum man sich trennen könnte. Die Kunst liegt darin, die Gründe zu sehen, warum man es eben nicht tun sollte.